27 Oktober 2006

25.10.2006 La cuisine

Langsam stellt sich in hier in Litauen die Routine ein, ich verbringe meine Zeit in der Universität (wenn nicht gerade Kurse ausfallen), mit essen, schlafen, trinken und vor dem Laptop. Ich kann mich damit rühmen, Mathieu’s Lebenswandel in Sachen Pünktlichkeit zu verbessern. Das Zusammenleben klappt bis jetzt ganz gut, bis jetzt ist er derjenige der die meiste Zeit kocht, nicht ich! Irgendwie bin ich die meiste Zeit zu faul dazu, liegt bestimmt am Wetter…

Ich experimentiere derweil mit Ersatzprodukten für meine heissgeliebte „Demi-Glace“-Sauce herum. Hier gibt es kaum Fertigsaucen, d.h. ich will ja keine Fertigsauce, sondern eine Saucen-Basis auf der ich kulinarisch aufbauen kann. Letzthin habe ich anstatt Pilzsaucen-Würfel eine Art Pilz-Bouillon gekauft. Doch man soll die Flinte nicht zu früh ins Korn werfen, wie? Ihr seht, meine Probleme sind in Litauen eher in der kulinarischen als in der akademischen Gegend angesiedelt. Mein Wohnungskollege ist eigentlich alles ausser Pilzen was für mein Unterbewusstsein vermutlich der Grund war, in einem Anfall von Leichtsinn 250 Gramm frische Champignons zu kaufen. Deswegen stand auf meinem Menü-Plan einmal Poulet-Geschnetzeltes an einer Pilzsauce mit Teigwaren und zwei Tage später ein „reduzierter Fond von Pilzen, verfeinert mit Schinken und Sauerrahm“.

Seit ich in der neuen Wohnung bin wird merklich mehr gekocht und eingekauft als zuvor, dafür esse ich nicht mehr oft in Restaurants. Bei vier Franken für eine Pizza im Restaurant frage ich mich jedoch teilweise schon, ob es sinnvoll ist, an den Herd zu stehen. Der Mensch ist ja ein Gewohnheitstier und ausser meiner schon erwähnten Nescafé-Sucht sind noch ein paar neue dazugekommen: Seit ca. einer Woche bin ich dem Lemon Tea von Lipton verfallen, Schwarztee mit Zitronengeschmack, unglaublich gut! Ich kaufe seit den ersten Tagen immer dasselbe Brot (kein Weissbrot!!), schmiere eine göttlich gute Remouladen-Sauce darauf und musste zwangsweise von Ovomaltine auf Nesquik umsteigen. Tschechische Reiswaffeln stehen bei mir im Moment auch hoch im Kurs sowie dieser industrielle Scheibenkäse, der nach nichts schmeckt.

Seit neuestem esse ich sogar Sardinen an Tomatensauce. Die Büchsen kommen aus Marokko und kosten ca. 40 Rappen das Stück. Unglaublich. Preiswert. Lecker. Strub.

Ich werde hier also garantiert nicht verhungern. Unfair ist nur das die französische Bohnenstange neben mir ungefähr doppelt soviel futtert wie ich und, wie gesagt, eine Bohnenstange ist.

25 Oktober 2006

21.10.2006 Birštonas

Nach dem das Wetter hier in Kaunas wieder ein bisschen milder ist und auch die Sonne scheint, packte mich am Samstag meine Wanderlust und ich entschloss mich, nach Birštonas zu fahren. Birštonas ist eigentlich nur ein kleines Kaff, das mal als Kurort berühmt war und am Nemunas-Fluss liegt. Aufmerksam auf diesen Ort machten mich einige Zeilen im „Kaunas inyourpocket“-Guide. Der verantwortliche Redakteur (besitzt einen Flickr-Account unter dem Pseudonym „Kritta“) hat einen (für mich) ziemlich witzigen Schreibstil, deshalb erlaube ich mir, einen Auszug aus dem Guide zu zitieren:

„It’s really very quiet and cosy. But that doesn’t mean there’s nothing to do. There’s just not much to do. You can walk around for a bit, which is agreeable. You can promenade along the path by the river, which is beautiful at any time of the year. You can sit on any of the nice little benches, then get up and walk some more. (…) Walk around for a bit. Then go for a stroll. You get the idea.”

Kein Wunder lief mir bei diesen Zeilen das Wasser im Munde zusammen! Die Tatsache, dass alle halbe Stunde ein Bus nach Birštonas fährt machte das Ganze noch attraktiver. Voller Tatendrang brach ich auf zum Bus-Zentralhof in Kaunas auf. Wie schon in der IX. Fort-Episode geschildert ist es jedoch zum Teil schwierig, an Informationen heran zu kommen.

Aufrecht und mutig betrat ich die Schalterhalle und wollte auf litauisch ein Studenten-Billet nach Birštonas kaufen. Die mehr oder weniger unfreundliche Dame am Schalter verstand mich, ich jedoch nicht ihre Antwort. Da hilft auch ein Crashkurs in litauisch nichts. Das einzige Wort das ich herausfiltern konnte war „Autobusas“. Ich bedankte mich und dachte, Birštonas sei noch an das ÖV-Netz von Kaunas angeschlossen und ich bräuchte kein Überlandbus-Ticket zu kaufen. Ich kramte meine Transport-Schema-Übersicht von Kaunas hervor und suchte eine entsprechende Busverbindung, natürlich ohne Erfolg. Zusammen mit der Karte ging ich zurück zur griesgrämigen Schalter-Frau und fragte nach der Bus-Nummer Richtung Birštonas. Diesmal machte sie von ihrer Körpersprache Gebrauch und verwarf lauthals die Hände und deutete an, ich solle mich an die Information wenden. Die freundlichere Dame am Informations-Schalter konnte immerhin so gut Englisch um mir zu erklären, dass ich das Billet direkt beim Fahrer lösen müsse. Für was braucht es dann einen Ticket-Schalter?

Nächstes Problem: Wie finde ich denn richtigen Bus? Die Informations-Frau wusste keinen Rat (Kernkompetenz: Unwissenheit), Informationsübersichten oder Ähnliches scheinen in Litauen verpönt zu sein. Mir blieb nichts anderes übrig als alle Bus-Terminals zu Fuss abzuklappern, um den richtigen Bus zu kriegen. „Terminal“ ist vielleicht nicht ein gerade das richtige Wort, vergilbte Tafeln mit handgeschriebenen Zielorten und Abfahrtszeiten umschreibt das Ganze passender. Nach 24 Tafeln fand ich dann meinen Bus.

In Birštonas angekommen stattete ich dem Touristenbüro ein Besuch ab und staunte nicht schlecht, als ich ausser der gewünschten Landkarte auch noch eine 100-seitige (!) Hochglanz-Broschüre dazu erhielt. Das nenne ich Dienst am Kunden!

Ich wanderte ein bisschen am Nemunas entlang, meine Kamera immer schussbereit, genoss die prächtigen Herbstfarben (die ich in Kaunas leider zu wenig zu Gesicht bekomme) und erklomm einen kleinen Hügel. Das Ganze war wie ein kleiner Sonntagnachmittags-Spaziergang in der Schweiz, die fotografische Ausbeute jedoch bedeutend besser. Nachdem ich genug Natur und Stille getankt hatte ging’s zurück Richtung Kaunas.

A green bench

Under siege

19.10.2006 Viva España!

Letzten Donnerstag luden die unzähligen Spanier im Studentenwohnheim zu einer Spanien-Party ein. Einzige Bedingung war das Tragen eines roten oder gelben Kleidungsstücks, um der spanischen Nationalflagge alle Ehre zu erweisen. Dank meiner Gepäckplanung mit Gewichtswaage in der Schweiz hatte ich Gott sei Dank ein rotes T-Shirt im Koffer (Ich vermisse immer noch mein blaues Lieblings-Jäckli, schluchz, rotz, heul). Auf der Party selber gab es Tortillas en masse und diese leckere Tomaten-Sauce, die man aufs Brot streicht. Wie zu erwarten war befanden sich eine Menge Südländer im Studentenwohnheim und die Dichte an Flamenco-tanzenden Frauen war ziemlich hoch. Ansonsten nichts Spezielles.

Scharf wie eine Jalapeno-Sauce war jedoch das Ende der Party. Hauptakteur in diesem kleinen Theaterstück spielte die litauische Polizei, jedoch nicht gerade mit viel Grazie. Passiert ist nichts Schlimmes, die Veranstaltung wurde nur wegen Ruhestörung aufgelöst. In Litauen rufen erboste Nachbarn nicht zuerst per Telefon an und bitten um mehr Ruhe, hier wird direkt die Polizei verständigt. Da neben dem Studentenwohnheim ein Wohnblock voller litauischer Familien liegt gab es schon mehrere Verwarnungen in den letzten Wochen. Ich war erstaunt über die Routine und Geschwindigkeit, in der die Abfälle, Getränke und das Soundsystem verschwanden. Die Studenten dort haben wirklich Training im Auflösen einer Party!
Für einen Schlummertrunk ging ich dann mit Matej, Kate und Mathieu noch ins BO, das sich jetzt nur noch ca. drei Minuten von meiner Wohnung entfernt befindet.

23 Oktober 2006

13.10.2006 Kaišiadorys

Wie ich schon einmal erwähnt habe sind die Studierenden in ISM generell nicht von der Fürsorge abhängig. Deshalb besitzen Arturas’ Eltern auch Party-Haus in der litauischen Pampa das sie an Gäste vermieten, diesmal an uns. Für litauische Verhältnisse nicht ganz billig (50 Litas pro Person), für westeuropäische Verhältnisse sensationell. Das Haus ist umgeben von vier künstlich angelegten Seen, einem Fussball- und einem Basketballplatz und genug Umschwung, um von keinem Nachbarn gestört zu werden. Das Haus selber ist wirklich klasse, komplett neu und modern, 30 Betten, Speisesaal, Küche, Veranda und russische Sauna.

Erfreulicherweise beteiligten sich beinahe alle Erasmus-Studenten an der Party. Die Villa Kunterbunt befindet sich in einem Kaff namens Kaišiadorys, zwischen Kaunas und Vilnius gelegen. Für mich die erste Gelegenheit, die litauische Eisenbahn kennen zu lernen. Die Litauer bevorzugen ja den Bus, weil das Streckennetz der Eisenbahn nicht allzu gross und das Rollmaterial alt ist (ähnlich wie in Irland). Mein Fazit: Der Bus ist wirklich schneller und bequemer!

Wir Bahnreisenden kamen schon um ca. 16.00 Uhr in Kaišiadorys an, genug Zeit um Fuss- und Volleyball zu spielen (ja, auch ich!) und um neue, abartige litauische Ballspiele kennen zu lernen. Derweil erkundeten Vefa und Miguel unfreiwillig einen See per Ruderboot.

Die Party selber war wie eine Party halt ist… (Der Leser ist angehalten, sich seine eigenen Gedanken zu machen.) Immerhin gab es noch einen Grund zum feiern: Audrey hatte Geburtstag und sie bekam eine Geburtstagstorte auf der „Appy Birthday Autrey“ stand. Das „Appy“ war geplant, als kleine Verarschung des (wirklich starken) französischen Akzents, das „t“ in ihrem Namen nicht. Machte jedoch nichts, die Torte ist ja zum Essen da. Als Überraschungsgast tauchte dann noch unser „Advertising and Promotion“-Dozent auf, ein richtig lustiger Vogel.

Indications of a party

Nach einer langen Nacht mussten wir um 9.30 Uhr schon wieder beim Bahnhof sein. Als Folge davon akuter Schlafmangel und einen Samstagnachmittag unter der Decke.

17 Oktober 2006

12.10.2006 Fotografijos Naktis

Kurz nach dem Umzugs-Stress war – wieder einmal – Kultur angesagt. Von Mitte September bis Mitte Oktober fanden hier in Kaunas die „Kauno Fotografijos Dienos“ statt. Insgesamt haben über 40 Fotografen teilgenommen, leider habe ich erst ziemlich spät von diesem Festival erfahren, aber zum Glück nicht zu spät! Die Fotografie-Nacht in der Disco „Los Patrankos“ kam mir als gelungene und ehrliche Ausrede gerade recht, um nicht mit den anderen Studenten Schlittschuhlaufen gehen zu müssen… Ehrlich gesagt hätte ich nicht gedacht, dass ich einmal eine Einladung mit den Worten „Entschuldigung, ich gehe in die Disco.“ abschmettern werde.

Ich also in die Disco (Eintritt fünf Franken) und keine Ahnung was genau läuft. Ich habe zuvor zwar ein Prospekt in der F Galerija aufgestöbert, jedoch nur auf litauisch, sprich ich hatte keinen Plan. In der Disco fand ich nur eine grosse, leere Projektionsfläche. Zeit für ein Bier also. Während ich am Tresen mit meinem Švyturys meditierte bestellte eine Frau neben mir einige Drinks – auf Englisch! Als wissbegieriger Student habe ich sie angequatscht und nach dem Programm des Abends gefragt. Leider konnte sie mir nicht weiterhelfen, wollte mich aber dafür an eine Performance Show in Vilnius am nächsten Abend einladen. Diese Südkalifornier. Zum Glück hatte ich schon was vor, „Murat’s Friday 13th-Party“ (Beschreibung folgt).

Die Fotografie-Nacht entpuppte sich als gelungene Fotografie-Diashow unterlegt mit Drum ‚n’ Bass, bestimmt besser als „Schliifschüenle“! Ich traf meine geliebten Mitstudenten wenig später beim Bowling irgendwo in der Nähe des Studentenwohnheims wieder. Leider fand ich nirgends 14er-Kugeln und meine Resultate waren ein bisschen dürftig. Vielleicht lag es auch am alles überstrahlenden Ultraviolett-Licht, vielleicht (aber nur vielleicht!) auch an mir.

16 Oktober 2006

12.10.2006 Markus zieht um die Häuser

Vor einer Woche war ich noch in Mathieu’s Wohnung um einen DVD zu gucken, jetzt lebe ich dort. Nicht schlecht was? Die letzte Woche war ziemlich hektisch was unsere Unterkunft hier in Kaunas betrifft. Unsere Vermieterin kam aus dem Ausland zurück und wir besichtigten die Wohnung, die wir eigentlich einmal von der Schweiz aus gemietet hatten. Zum Erstaunen von Gabriele sah die Wohnung mehr oder weniger immer noch so aus wie vor fünf Wochen, einzig die Wände waren verputzt. Gabriele bot uns an, entweder in unserer aktuellen Wohnung zu bleiben oder in die neue umzuziehen wenn sie fertig renoviert ist. Murat und ich entschieden uns, in unserer „temporären“ Wohnung zu bleiben, vor allem weil die Miete nur 1000 Litas ist und die Lage aussergewöhnlich gut ist.

Einen Tag später (!) informierte uns Gabriele, dass die beiden Spanier die eigentlich für unsere Wohnung vorgesehen waren nun doch einziehen wollen. Als Konsequenz mussten wir also so schnell wie möglich eine neue Wohnung suchen, und das Mitte Oktober… Aber wir waren ja nicht alleine: Gabriele, Ruta von ISM, Arturas und Mantas waren uns bei der Wohnungssuche behilflich. In dieser Woche habe ich weitere drei Wohnungen besucht, zwei zu teuer, die dritte glich einer Zuchtfarm für Milben und anderes Getier.

Jedenfalls ist es zu kompliziert, hier alles aufzurollen und zu erklären. Darum präsentiere ich nun unsere Lösung, schnörkellos:

Murat lebt nun in der Dormitory (Studentenwohnheim);
Céline, die mit Mathieu eine Wohnung gemietet hat, befindet sich auch dort;
ich lebe nun als Ersatz für Céline zusammen mit Mathieu in „seiner“ Wohnung.

Chair, alone.

Alles klar? Ich denke nicht, spielt aber auch keine Rolle. Meine jetzige Wohnung befindet sich in der Altstadt. Ich würde die Wohnung als „Single-Wohnung“ bezeichnen, sie besteht aus einen Wohnzimmer (ca. 60 m2) und einer Galerie im zweiten Stock, in dem sich mein „Zimmer“ und Mathieu’s Zimmer befinden. Insgesamt haben wir vier Dachfenster, drei davon direkt über meinem Bett. Die Dusche ist viel wärmer als in der alten Wohnung, im Badezimmer gibt’s eine Heizspirale extra für die Badetücher und die Waschmaschine ist irgendwie besser. Ein Nachteil: Leider muss ich jetzt auf meinen Gasherd verzichten, d.h. 10 Minuten auf meinen Nescafé warten und nicht 1 Minute. Elektroherde sind einfach so was von langsam…

Wenn wir schon bei Nescafé sind: Ich bin mittlerweile total süchtig danach oder ich denke zumindest ich bin es. Normalerweise trinke ich zwei Tassen pro Tag, das ist noch in Ordnung, oder? Ab und zu muss ich in der Cafeteria von ISM einen Lavazza-Kaffee bestellen, damit ich noch weiss wie „richtiger“ Kaffee schmeckt. Die Welt ist gross und die Probleme klein.

Nachtrag:
Habe heute von Murat erfahren, dass einer der beiden Spanier schon wieder aus unseren alten Wohnung ausgezogen ist und der zweite auf dem Sprung dazu ist. Offenbar entspricht die Wohnung nicht ihren Erwartungen. Gabriele hat ihnen anscheinend als Grund für ihre Warterei erzählt, der komplette Boden werde neu verlegt. Was ja nicht der Fall sein kann weil wir am Donnerstag ausgezogen sind und die Spanier am Freitag eingezogen sind… typisch Litauen.

11 Oktober 2006

08.10.2006 Schilderwald

Eigentlich wollte ich ja ein Loblied auf die Website VirtualTourist schreiben, aber…

Angefangen hat alles damit, dass ich wieder mal meinen kulturellen Heisshunger stillen wollte. Rumgeschmökert in meinen Unterlagen fand ich etwas Interessantes: das IX. Fort, eine Festung und Gedenkstätte aus der Zeit von Napoleon. Das IX. Fort ist ausserhalb der Stadt und demzufolge nicht auf meinen diversen Landkarten und ich hatte keine Ahnung wie und ob ich überhaupt dort hinkomme. Ich graste folglich das Internet nach möglichen Informationen ab (oder wie einer meiner Dozenten so schön sagt: „Take the Google!“) und stiess dabei auf die VirtualTourist-Website. Das Prinzip ist ziemlich einfach: Touristen fragen, Einheimische antworten. Zu meiner Überraschung fand ich eine komplette Anreisebeschreibung (Bus-Nummer, Route, Haltestelle, etc.) für das IX. Fort.

Ich packte meine Siebensachen und rein in den Bus. Nach ca. einer halben Stunde stieg ich dort aus, wo ich gemäss Beschreibung aussteigen sollte (die Haltestelle hiess sogar gleich wie mein Ziel). Ich erwartete einen Wegweiser, ein Hinweisschild, eine Karte oder was weiss ich nicht was. Njet. Da stand ich also in der Vorort-Pampa von Kaunas und nichts. Nichts! Das einzige was ich wusste war die Adresse, so stiefelte ich mehr als eine halbe Stunde zwischen kleinen Holzhäuschen und Gärtchen umher, ohne die gesuchte Strasse zu finden. Das war mir dann irgendwann zu blöd und ich nahm den Bus zurück ins Zentrum von Kaunas.

Weil jedoch bei der Hinfahrt einige hässliche Sowjet-Plattenbauten meine Aufmerksamkeit erhaschten stieg ich irgendwo bei einer Polyklinik aus für ein kleines Fotoshooting. Schlechte Idee. Das Fotografieren dauerte 3 Minuten, das Warten auf den nächsten Bus 30 Minuten.

Living space #2

Zurück in Kaunas besuchte ich ein Museum in der Hoffnung, Bilder respektive Fotografien zu sehen, was auch nicht gerade mit Erfolg gekrönt war. Die Ausstellung sollte die Differenzen zwischen Kaunas und Vilnius darstellen, aber entweder muss man Litauer sein um die Ausstellung zu verstehen oder Kunststudent… Immerhin war der Eintritt nur 70 Rappen, dank meinem litauischen Studentenausweis.

Alles in allem eine ziemliche Zeitverschwendung für eine Samstag Nachmittag, nächstes Mal wird’s hoffentlich besser.

06.10.2006 Melynas ir oranžinis

Letzten Freitag war ich zum ersten Mal im BlueOrange, so eine Art Studentenkneipe in der Altstadt. Jedenfalls soll das BO der offizielle Treffpunkt aller Erasmus-Studenten von Kaunas sein (jedoch donnerstags). Die drei M’s (Matej, Maud & Markus) im Location-Test. In dieser engen Beiz hatte ich mein erstes positives Erlebnis bezogen auf die litauische Sprache. Ich bestellte eine Runde Bier auf litauisch, anscheinend so akzentfrei das mich die Frau nebenan angezapft hat. Ach, wie stolz war ich! Leider war das Glück nur von kurzer Dauer, sie verstand kein englisch und ich nicht wirklich litauisch und die Konversation war zu Ende. Aber immerhin.

Das BO war ziemlich voll, demzufolge mussten/durften wir uns notgedrungen an einen Tisch mit Litauern setzen, und die sind ja generell ziemlich geschwätzig. So auch in diesem Fall: Ewaldas, dessen Studentenjahre sicher schon ein Jahrzehnt zurückliegen war immerhin schon einen Sommer lang in Avignon. Er wusste zwar nicht wo St. Gallen liegt, kennt aber Vaduz (Fussball fördert Geographie-Kenntnisse). Ewaldas lancierte einen grossen Monolog über die sprachlichen Unterschiede der drei baltischen Staaten (für die die’s nicht wissen: Litauen, Lettland und Estland) und über slowakische Wintersportorte, leider kann ich mich jedoch nicht mehr an alle Details erinnern. Ein kurzweiliger Abend!

07 Oktober 2006

02.10.2006 Basar

Zuerst einmal muss ich mich entschuldigen, dass ich solange nicht in den Blog geschrieben habe, aber dafür gibt’s Gründe. Einer davon war eine Zwischenprüfung im Fach „Business Communication & Negotiation“ am Montag. Bevor jetzt alle nachfragen: Ich denke es ist gut gelaufen, ich habe aber noch keine Resultate.
Der zweite Grund war eine schriftliche 15-seitige Arbeit in „Human Resource Management“, die wir bis heute (Samstag) fertig stellen mussten. Ein ziemlicher „Chrampf“, an dieser Stelle nochmals danke an Fritz!

Nun jedoch zurück zum Montag. Die Prüfung war da, nur der Dozent leider nicht. Die einzige Information über seinen Verbleib lautete, dass er nicht in Litauen sei. Die Prüfung mussten wir trotzdem schreiben, dafür hatten wir danach einen zusätzlichen freien Tag. Murat und ich nutzten die freie Zeit, um mit Maud und Damien einen Kaffee trinken zu gehen. Und jetzt kommen wir zum eigentlichen Hauptthema dieses Eintrags.

Am Nachmittag fuhr uns Edita zu Urmas. Edita sagte uns, sie kenne da ein Einkaufszentrum mit günstigen Kleider (so à la H&M). Urmas ist jedoch kein traditionelles Einkaufszentrum, wir staunten nicht schlecht als wir dort ankamen. Man stelle sich das Ganze in etwa so vor: Fünf riesige Wellblech-Hallen garniert mit dem Charme einer Industrie-Zone, jede Halle unterteilt in ca. 10 Teilhallen und die unterteilt in unzählige kleine „Lädeli“, die nicht grösser sind als unser Wohnzimmer (ich meine das in Litauen). Ein richtiger Basar! Zwar ist das Sortiment in jedem Laden beinahe dasselbe, aber Hauptsache es ist günstig (und zu einem Teil gefälscht). Edita hat uns abgeraten, irgendwelche Adidas- oder Nike-Trainingsjacken etc. zu kaufen, weil die bösen Prügelknaben auf diesen Dresscode abfahren. Neben den Kleidern kann man in Urmas alles andere auch kaufen, von Lebensmittel aller Art, Büroutensilien, Haustieren (Frettchen und Fische und …), Getränke, Wasserpfeifen und Hygiene-Artikel. Ich werde mir mal einen Tag für Urmas reservieren, das Gelände ist einfach zu gross!
Ach ja: Gekauft habe ich natürlich nichts. Comme tojours.

02 Oktober 2006

30.09.2006 Ballenberg-Klon

Eine Seefahrt die ist lustig, eine Seefahrt die ist schön…
ISM kümmert sich wirklich liebevoll um den Haufen Erasmus-Studenten, am Samstag fand ein Ausflug nach Rumšiškės statt, eine Art Freilichtmuseum mit alten litauischen Häusern, Gebräuchen und so weiter und so fort. Höhepunkt des Ausfluges war die Hin- und Rückreise per Schiff, aber ich greife vor. Wegen der vorher beschriebenen Party fanden sich nur fünf Studenten am Treffpunkt bei ISM ein, Mathieu, Céline, Kate, Matej und ich. Einige Studenten von der Dormitory wurden direkt dort abgeholt. Jedenfalls verteilten wir uns auf zwei Fahrzeuge, die „Slovakian Army“ und ich fuhren mit Dovilė mit (dieser Name erinnert mich immer an den Film „Dogville“, obwohl ich diesen nie gesehen habe…).

Folglich fuhren wir also mit einem roten Peugeot mit eingeschlagener Frontscheibe (sie war aber noch dicht!) durch den morgendlichen Kaunasser Verkehr. Zum Glück fragte Matej etwas über die Schifffahrt nach, wir wären nämlich sonst direkt nach Rumšiškės gefahren! Kehrt um und zum Stausee von Kaunas, Kauno Marios. Kristina versprach mir einen Tag zuvor wundervolles Wetter, als wir jedoch an der Schifflände ankamen fanden wir satten Nebel vor. Reizvolle Stimmung zum fotografieren, ich war jedoch schon ein bisschen enttäuscht.

A misty Kauno Marios

Gott sei Dank besserte sich das Wetter aber während unserer einstündigen Hinfahrt und alles war wieder im Butter. Rumšiškės selber ist nicht sonderlich spektakulär, ich verschone euch mit Details, Häuser, traditionelle Kostüme, eine Windmühle und ein Restaurant, in dem es mehr als eine Stunde dauert, um eine Omelette zu kriegen. Cees (sprich „Keis“ wie „Case Study“) aus Holland war der Pechvogel, ich hatte meinen Thunfischsalat binnen 10 Minuten. Ich genoss es, raus aus der Stadt und wieder einmal in der Natur zu sein. Während der Rückfahrt wurde meine Kamera mit Telelinse zum begehrten Objekt und nun besitze ich ca. 50 Fotos von den immergleichen Köpfen…

29.09.2006 Franzbrot

Céline und Mathieu luden an diesem Freitag alle Studenten zur Einweihungsparty ihrer neuen Wohnung. Sie hatten ähnliche Probleme wie wir und wohnten bis dahin in einer Zwischenlösung. Wir wohnen immer noch am alten Ort. Ihre Wohnung ist ziemlich gross, ein riesiger Aufenthaltsraum mit Küche, drei Meter bis zur Decke und eine waghalsige Konstruktion von Treppe um in den zweiten Stock zu gelangen, wo sich die Schlafzimmer befinden. Ein toller Ort um eine Party zu feiern! Es kamen auch noch Studenten aus anderen Unis, ich machte Bekanntschaft mit Kinga, einer polnischen Fotografie-Studentin (Sie hat aber keine Ahnung von Fotografie!).

Die Party war toll, erschreckend war nur der schlechte Musikgeschmack meiner Zeitgenossen. Die Franzosen-Armee (ca. acht Stück waren anwesend!) darf vielleicht stolz sein auf ihre Revolution, Baguette, Bordeaux-Wein und Pain au chocolat aber ihr Musikgeschmack? Ich kenne niemanden in der Schweiz, der bei „Cotton-Eye Joe“ in Ekstase gerät und wild über den Parkettboden flizzt… In Julia aus Österreich fand ich immerhin eine Radiohead-Verbündete, unser Bündnis war aber nur für einen Song wirksam, danach übernahm Charles (Schaarls) die Kontrolle über den Laptop. Die Party bordete irgendwann über und der Alkohol war auch alle. Was Neues gelernt: Litauische Nachbarn sind sehr, sehr tolerant – oder sie waren nicht anwesend.

28.09.2006 Unplugged

Die ISM-Studenten sind ziemlich aktive Zeitgenossen, letzten Donnerstag organisierten sie eine „Guitar Night“ im Studenten-Bunker. Das Publikum bestand aus ca. 40 (!) Mitstudenten, die meisten aus Litauen. Ungefähr sechs verschiedene Studenten spielten Cover-Versionen und litauische Liebeslieder, leider habe ich nichts verstanden… Aber die englischen Lieder waren ganz OK. Am besten gefiel mir eine Cover-Version von einem Song von Tenacious D (der Promille-Anteil der Leser, die diesen Künstler kennen, wissen welches Lied ich meine…). Um 21.00 Uhr war Schluss und alle Studenten versicherten mir, sie gingen danach in die Siena-Disco. Was blieb mir anderes übrig als mich nochmals in diesen tropischen Sauna-Club zu begeben?

Da war ich also mit Murat. Im Siena muss man im Schnitt 10 Minuten anstehen, um ein Getränk zu bekommen, ich Glückspilz bestellte an der Bar, wo natürlich der Zapfhahn streikte. Ich erwartete weniger Leute als das letzte Mal mit den Schweden, meiner Meinung nach war es aber noch viel schlimmer. Irgendein Engel schickte mir dann Rites vorbei, einen ISM-Studenten mit dem ich eine Gruppenarbeit schreiben werde. Zitat Rites: „I really don’t know what I’m doing here, I hate this club!“ So traf ich wenigstens jemanden um in den Pub zu gehen und der Abend war gerettet.